Die richtige Stimmverteilung

„Als umfaßendstes Problem und mit einigem Erschrecken empfand ich den so grundfalschen Aufbau des Flötensatzes, der mich an die Urzeiten der 50er Jahre erinnerte. Hier muß in den meisten Zügen ein sofortiges Umdenken erfolgen!“ – derart drastisch und doch zutreffend ist es im Gesamtbericht eines Wertungsrichters beim 1. Landesmusikfest des Volksmusikerbundes NRW, 1991 in Geseke durchgeführt, nachzulesen.

In Nordrhein-Westfalen (und darüber hinaus) setzen fast alle Spielmannszüge bzw. Tambourkorps die klappenlose Querflöte ein. Leider achtet man bei der musikalischen Ausbildung, die mancherorts noch nicht einmal nach Noten erfolgt, sehr wenig (oder überhaupt nicht) auf richtige Ansatz- und Anblastechnik und damit auf eine stimmungsreine Intonation. Auch diese Problematik bedarf der weiteren Diskussion. Hier soll aber zunächst ein – zumindest bei neu einzustudierenden Musikstücken – einfach zu behebender Mißstand angegangen werden: Die richtige Stimmverteilung.

Musikstücke für Spielleutekorps erscheinen in der Regel in folgender Flötenbesetzung: Diskant (nur teilweise), Sopran 1 – 2 – 3, Alt 1(manchmal auch Alt 2 – 3) sowie Tenor. In zahlreichen Vereinen verzichtet man (noch?) auf Alt-, Tenor- und Diskantflöten, so daß sich unsere ersten Aussagen auf die Sopranflöte beschränken.

Da erlebt man es immer wieder, daß ein Spielleutekorps bei 20 Flötisten 18 x die Sopran 1, 1 x die Sopran 2 und 1 x die Sopran 3 besetzt. Dieses entspräche einem Blasorchester mit 18 Trompeten, 1 Klarinette und 1 Posaune. Das musikalische Ergebnis eines solchen Orchesters wäre katastrophal.

Die Sopran 1 führt regelmäßig die Melodie und ist oft sehr hoch geschrieben; Töne wie fis’’’ und g’’’ , sogar das a’’’, sind dabei nicht selten. Für den Zuhörer wird eine solche Darbietung nicht zum Genuß, da die tieferliegenden und oft mit einer schönen Nebenmelodie betrauten Stimmen Sopran 2 und Sopran 3 überhaupt nicht mehr zur Geltung gelangen und die Publikumsreaktion lautet: „Da spielt aber einer falsch.“ Außerdem „erschlagen“ den Zuhörer förmlich hohe Töne, die dann noch nicht einmal richtig „getroffen“ werden.

Eine gute Stimmverteilung im Sopran-Bereich könnte so aussehen: 20 % Sopran 1 (im Beispiel: 4), 40 % Sopran 2 (im Beispiel: 8) und 40 % Sopran 3 (im Beispiel: 8), wobei Ziel immer ein ausgewogenes Klangbild sein sollte.

Ein in diesem Zusammenhang nicht zu vernachlässigender Punkt ist die Qualifikation der Flötisten. Wie überall im Leben gibt es auch bessere und schlechtere, engagierte und weniger engagierte, regelmäßig oder unregelmäßig an Proben teilnehmende Flötisten. Auch diese Fähigkeiten / Charaktereigenschaften sollte man bei der Entscheidung über die Stimmverteilung beachten.

Meistens drängen sich alle Instrumentalisten zur Sopran 1, denn „da habe ich wenigstens eine Melodie“, mit der Folge, daß die leichten Passagen unheimlich stark, absolut dominierend kommen und bei schwierigen Stellen zahlreiche Spieler aussetzen oder „fuschen“. Die notenfesten und besonders qualifizierten Musiker setzt der musikalische Leiter dann in der Regel auf die 2. oder 3. Sopranstimme, wo sie oft von den Aufgaben unterfordert sind.

Die Sopran 1 sollte mit wenigen, aber den besten Musikern besetzt sein. Gut durchschnittliche Spieler bieten sich für die Sopran 3 an, da dort häufig Nebenmelodien und Solostellen zu bewältigen sind. Die Musiker mit Problemen, zum Beispiel beim rhythmisch richtigen Umsetzen der Noten oder hinsichtlich der Intonation sollten (zunächst?) die Sopran 2 spielen. Natürlich bietet es sich an, als Stimmführer einen guten Instrumentalisten in jeder einzelnen Sopranstimme zu plazieren, an dem sich die Mitspieler orientieren können.

Grundsätzlich sei betont, daß sich die optimale Besetzung in der Realität kaum verwirklichen läßt. Wenn ich zum Beispiel vier außergewöhnlich gute Flötisten habe, die aber aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeiten häufig fehlen, wäre eine ausschließliche Zuordnung zur Sopran 1 falsch, denn im Extremfall wäre die Sopran 1 komplett verhindert. Hier ist die Kunst des Stabführers und / oder musikalischen Leiters in besonderem Maße gefordert.

In den sechziger Jahren wurde der erweiterte Flötensatz (Diskant, Alt, Tenor) eingeführt, der ganz andere klangliche Möglichkeiten eröffnet, die man auch nutzen sollte. Das gilt allerdings nur für Vereine, denen das sowohl von der personellen Besetzung als auch vom Ausbildungsstand möglich ist. Die sofortige Verwendung der kompletten „Flötenfamilie“ ohne Schaffung der Voraussetzungen wäre übereilt.

Die Diskantflöte erfordert exzellente Spielfertigkeiten (hohe Töne, schnelle Tonfolgen, Solostellen), die regelmäßig erst nach mehrjähriger Praxis zu erreichen sind. Prädestiniert ist der beste Flötist des Spielleutekorps, der ansonsten Sopran 1 spielt. Zum Einsatz sollte nur eine Diskantflöte gelangen, um so den Solocharakter zu erhalten. Im übrigen gelingt ein präzises Zusammenspiel von zwei oder drei Diskantflöten ohnehin nur selten. (Daß man natürlich frühzeitig einen Ersatzspieler an diese anspruchsvollen Aufgaben heranführen muß, bedarf natürlich keine Frage.)

Sehr wichtig und jedem Verein anzuraten ist der Einsatz von Altflöten in ausreichender Anzahl (ein oder zwei Altflöten „gehen unter!“). Sie machen den Klang des Spielleutekorps weicher und für den Zuhörer noch angenehmer. Moderne Musikstücke unserer Tage sind ohne die Altflöte fast nicht mehr spielbar. Das Spielen der Altflöte ist für Kinder, die oft schon früh mit der Ausbildung beginnen (übrigens kein Manko, denn Musikalität läßt sich so bestens anlegen), einfach durch den Abstand der Grifflöcher unmöglich. Aus unserer Sicht schadet es überhaupt nichts, wenn zuerst die Sopranflöte erlernt und zu einem späteren Zeitpunkt auf die Altflöte gewechselt wird. So kann man in den ersten Jahren vielleicht leichtere Straßenmärsche lernen (wo ggf. sogar die Sopranflöte ausreichend ist) lernen, während später schwierigere Konzertstücke auf der Altflöte folgen.

Die Tenorflöte ist von ihren klanglichen Qualitäten nicht unproblematisch. Sie sollte erst dann eingebaut werden, wenn alle anderen Flötenstimmen gut und ausreichend besetzt sind. hinsichtlich der Anforderungen an den Instrumentalisten gilt das zuvor zur Altflöte gesagte.

Zusammenfassend kann nur eine sorgfältige Entscheidung über die Stimmenverteilung unter Vermeidung eines Übergewichtes bei der Sopran 1 und möglichst Ergänzung durch Altflöten empfohlen werden.
Probieren Sie es einfach beim nächsten Musikstück einmal aus! Sie werden einen neuen „Sound“ hören, der nicht nur Sie und unser Publikum überzeugt, sondern auch die Musikkameraden aus anderen Musikbereichen.

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